Kreativität » Peter Zadek wird heute 80

Ende der fünfziger Jahre kam er nach Deutschland, avancierte rasch zum umstrittensten und polarisierendsten Bühnenregisseur. Seine Sicht auf Shakespeare, der frech-fröhliche Umgang mit dessen Stücken empörte Traditionalisten und Shakespeareaner. „Othello“-Inszenierung 1976 im Hamburger Schauspielhaus - das Publikum brüllte und buhte mehr als eine halbe Stunde. Zadek galt als Provokateur um der Provokation willen, ein Theaterzerstörer, Zuschauervertreiber, der vertraute Sehgewohnheiten entzog. Er wühlte in den letzten 50 Jahren das Theater auf und veränderte es wie kein anderer Regisseur

Am 19. Mai 1926 wurde er in Berlin als Sohn eines Textilkaufmanns geboren. Die Eltern emigrierten nach England als er 7 Jahre war. Er studierte Ende des Krieges Deutsch und Französisch in Oxford, entdeckte dort das Theater für sich. An die neu eröffnete Regisseursschule des Old Vic Theatre gewechselt, kam er dort überhaupt nicht zurecht und begann mit arbeitslosen Schauspielern und Amateuren zu inszenieren. Sein Durchbruch kam 1957 mit der Uraufführung von Jean Genets „Der Balkon“ in London. Genet distanzierte sich allerdings vehement von Zadeks Inszenierung.

Die deutschen Bühnen empfand Zadek als festgefahren ohne Wirklichkeitsbezug, Schauspieler waren weihevolle Rezitatoren der Texte. Humor, Witz, Entertainment – Fehlanzeige. 1960 in Ulm, ab 1982 in Bremen, begann Zadek kompromisslos das bildungsbürgerliche Theaterverständnis infrage zu stellen. Der hauptsächlich von ihm, Peter Palitzsch, Klaus Michael Grüber und Wilfried Minks geprägte „Bremer Stil“ war die wichtigste Zäsur der neueren Theatergeschichte.

Zadek erfand das Stadttheater tatsächlich fast neu. Als Intendant des Bochumer Theaters spielte in Fabrikhallen, experimentierte mit anderen Formen der Theaterwerbung, Tankred Dorst war Hausautor. Skandalös Zadeks Inszenierungen von „Der Kaufmann von Venedig“, „König Lear“ und „Hamlet“ auch überregional. Obwohl ihn nach einiger Zeit der Intendantenstuhl langweilte, übernahm er 1985 die Leitung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Enorm der Erfolg seiner Wedekind Lulu-Inszenierung in der Urfassung. Kurzzeitig trat er 1993 in das Vierer-Direktorium am Berliner Ensemble ein, kehrte aber bald dem ganzen den Rücken.

Das Geheimnis seines Erfolges – er verstand Darsteller an sich zu binden, deren Phantasie sich ideal mit seiner verband. Ulrich Wildgruber („Er war mein Alter Ego. Er hat all die Dinge gemacht, die ich mich im Leben nie trauen würde zu machen“), Hermann Lause, Gert Voss und seit 1987 Uwe Bohm, anfangs Hannelore Hoger, Rosel Zech und Ilse Ritter, seit 1990 Angela Winkler und immer wieder Eva Mattes.

Zentrum seiner Arbeit wurde zuletzt das Burgtheater – inszenierte dort Shakespeare, Tennessee Williams und Tschechow. Vor nicht allzu langer Zeit hat Zadek mit Tom Stromberg (früherer Intendant des Hamburger Schauspielhauses) die Produktionsfirma „My Way“ gegründet. In Pritzwalk/Brandenburg will Zadek in jedem Jahr ein Shakespeare-Stück inszenieren. Mutiges Projekt eines jung gebliebenen achtzigjährigen Patriarchen.